Fachbereich 9

Wirtschaftswissenschaften


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Netzwerke und digitale Ökonomien

Experimente zum Thema

  • Netzwerke ohne Manager
  • Netzwerke mit Manager

Hinweis Glossar:

Einige Begriffe werden in unserem Glossar erklärt.

(in Bearbeitung)

Netzwerke und Netzwerkeffekte

Soziale Netzwerke verbinden Menschen miteinander, technische Netzwerke verbinden Telefone, Radiosender und Radios, Computer, Maschinen oder Sensoren. Aus wirtschaftlicher Sicht sind Netzwerke besonders, weil in ihnen sogenannte Netzwerkeffekte (auch Netzwerkexternalitäten genannt) entstehen. Ein Netzwerkeffekt entsteht durch die Verbindungen der Akteure im Netzwerk. Die Abbildung zeigt drei Netzwerke mit zwei, drei und fünf Akteuren. Alle sind miteinander verbunden. Bei nur zwei Akteuren gibt es nur eine Verbindung, bei drei Akteuren drei Verbindungen, bei fünf Akteuren bereits zehn Verbindungen.

Piktogramm zu Verbindungen von Akteuren im Netzwerk

Stellen wir uns vor, es handelt sich um ein Kommunikationsnetzwerk: Die Akteure können über das Netzwerk miteinander telefonieren, Text- oder Sprachnachrichten senden. Der Netzwerkeffekt besteht dann darin, dass der Nutzen aller Akteure im Netzwerk steigt, wenn das Netzwerk wächst: Je mehr Akteure im Netzwerk sind, desto besser für jede*n einzeln*n. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Telefon: Nichts ist schwerer, als das erste Telefon zu verkaufen (was soll man damit?), beim zweiten wird es schon etwas leichter (man kann jemanden anrufen), beim hundertsten Telefon muss man den Nutzen nicht weiter erklären. Der Effekt ist exponentiell, d.h. der Nutzen steigt überproportional an, wenn das Netzwerk größer wird.

Piktogramm zur Darstellung von Netzwerken

Ein Netzwerkeffekt kann positiv, aber auch negativ sein. In diesem Falle steigt der Nutzen für den einzelnen Akteur nicht an, wenn das Netzwerk größer wird, sondern sinkt. Ein Beispiel dafür sind Verkehrswege: Je mehr Haushalte an ein Straßennetz angeschlossen werden, desto mehr Menschen können einander treffen, aber je mehr das Straßennetz nutzen, desto eher kommt es zu Staus. Irgendwann ist die Zahl der Nutzer so hoch, dass das Straßennetz überlastet ist, und der Nutzen aller sinkt.

Die Möglichkeit der Akteure zu kommunizieren veranschaulicht Netzwerkeffekte, aber solche Effekte bestehen auch bei physischen Gütern. Das liegt daran, dass Netzwerkeffekte nicht nur direkt sein können wie im Telefonbeispiel, sondern auch indirekt. Zum Beispiel werden leistungsstarke Grafikkarten in Computern wertvoller, wenn es mehr Computerspiele mit hohen Grafikanforderungen gibt, und umgekehrt steigt der Nutzen der Spiele mit dem technischen Fortschritt bei Grafikkarten. Der Netzwerkeffekt besteht hier zwischen zwei unterschiedlichen Produktgruppen, Software und Hardware. Solche indirekten Netzwerkeffekte gibt es aber auch bei vielen anderen Gütern. Beispiele dafür sind Rasierer und dazu passende Klingen, Drucker und Toner oder Kaffee-Kapselautomaten und Kapseln

In der Basisvariante bildet das Experiment zu Netzwerkeffekten direkte Netzwerkeffekte ab, allerdings auf eine abstrakte und (zugegeben) eigentümliche Weise: Die Teilnehmer*innen werden in Gruppen eingeteilt und haben die Aufgabe, Kopfrechenaufgaben (was ist 9 · 11?) zu lösen. Jede richtig gelöste Aufgabe bringt einen Punkt, aber nicht nur für die Teilnehmerin selbst, sondern für alle Teilnehmer aus der Gruppe. So entsteht der Netzwerkeffekte: Je mehr Personen in der Gruppe sind, desto mehr Punkte sammelt jedes einzelne Gruppenmitglied! 

Digitale Ökonomien

Mit dem Begriff digitale Ökonomien werden zum einen Teile der Wirtschaftswelt bezeichnet, in denen Computertechnologien die gehandelten Güter bestimmen. Zum anderen ist damit der Wandel in der Wirtschaftswelt durch Computertechnologien gemeint.

Digitale Ökonomien unterscheiden sich von „klassischen“ Ökonomien, denn traditionelle Annahmen, darüber, wie Unternehmen produzieren und Verbraucher einkaufen, stimmen nicht mehr. Einige Beispiele: Uber, das größte Taxiunternehmen der Welt, besitzt nicht ein einziges Taxi; Facebook (bzw. Meta), der größte Eigentümer von Medieninhalten erstellt selbst gar keine (nennenswerten) Inhalte; Alibaba, eines der umsatzstärksten Handelsunternehmen der Welt, hat kein Warenlager; und Airbnb, der weltweit größte Anbieter von Unterkünften, besitzt keine Immobilien.

Digitale Ökonomien sind nicht mehr die Zukunft des Wirtschaftslebens, sondern bereits die Gegenwart, denn bereits heute wird das Wirtschaftsleben von den zahllosen Online-Verbindungen zwischen Menschen, Unternehmen und Geräten über das Internet bestimmt. Deshalb spielen Informations- und Kommunikationstechnologien eine zentrale Rolle, und deshalb treten in digitalen Ökonomien in aller Regel Netzwerkeffekte auf, sowohl direkte als auch indirekte.

Wettbewerb auf Märkten mit Netzwerkeffekten

Wir betrachten den Markt für digitale Güter und wollen herausfinden, was diesen Markt vom klassischen Gütermarkt unterscheidet. Digitale Güter bestehen aus Code, Nullen und Einsen. Um sie nutzen zu können, benötigt man eine adäquate Informationsverarbeitung dieser Nullen und Einsen, und deshalb sind digitale Güter stets Komplementärgüter, d.h. Güter, für deren Nutzung man weitere Güter (Computer) braucht. Beispiel: Eine PDF-Datei ist nur dann von Nutzen, wenn man auch einen PDF-Reader und einen Computer, auf dem der PDF-Reader installiert werden kann, besitzt.

Wie erläutert entstehen auf Märkten für digitale Güter direkte und indirekte Netzwerkeffekte. Beide bestimmen nicht nur den Nutzen der Nachfrager*innen, sondern auch die Marktstrategien der anbietenden Unternehmen.

Betrachten wir noch einmal das Beispiel des Telefons und versetzen wir uns gedanklich zurück in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals tüftelten zeitgleich mehrere Erfinder an einer neuen Technologie: Dem Telefonieren. Philipp Reis aus Deutschland erfand den ersten Apparat zur Übertragung von Sprache und nannte ihn 1861 Telephon. Nahezu zeitgleich arbeitete der gebürtige Italiener Antonio Meucci in den U.S.A. an derselben Technologie. Es dauerte noch 15 Jahre, bis die ersten Apparate gebaut wurden, die praktisch einsetzbar waren, und 1876 war es Alexander Graham Bell, der einen Patentantrag auf das Telefon stellte (Bell gründete später die Bell Telephone Company, heute AT&T). Es waren also mehrere Erfinder, die gleichzeitig an einer neuen Technologie arbeiteten. Das ist in der Geschichte häufig so passiert, und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass nach der Erfindung einer neuen Technologie mehrere Unternehmen entstehen, die unterschiedliche Varianten derselben Erfindung vermarkten.

Diese Unternehmen erkennen das Marktpotenzial der Erfindung, in unserem Beispiel des Telefons. Anfangs wird sich aber nur ein kleiner Teil der Konsumenten*innen für den Kauf eines Telefons entscheiden, weil der Nutzen anfangs gering ist und die Technologie noch unbekannt. Diese ersten Kunden aber verbreiten Informationen über den Nutzen des neuen Produktes, und der Markt dafür wächst durch ihr positives Feedback.

Am Ende dieser Anfangsphase der Entstehung des Marktes wird eine kritische Masse erreicht, d.h. eine Anzahl von Nutzern des Gutes, bei der für alle anderen der Nutzen des Gutes unmittelbar klar wird. Das Gut (also das Telefon) zu kaufen wird dann für alle Nachfrager*innen attraktiv, und wer es sich leisten kann, kauft es. Der Markt für das Telefon geht in seine zweite Phase, die Boomphase, in der Nutzerzahlen sehr schnell ansteigen. Am Ende der Boomphase ist der Markt gesättigt, d.h. sehr viele Kunden haben das Telefon und es kommen nur noch wenige neue Kunden hinzu (Sättigungsphase).

Diagramm zur Entwicklung der Nutzerzahlen bei einem Netzwerkeffekt

The winner takes it all

Noch bevor die kritische Masse erreicht ist und die Boomphase des Marktes beginnt, werden weitere Unternehmen auf den Markt drängen, die die Marktentwicklung vorhersehen. Die Konkurrenz zwischen den Unternehmen ist extrem, denn auf Märkten mit Netzwerkeffekten gibt es einen Grundsatz: The winner takes it all. Das liegt an den Netzwerkeffekten und lässt sich am Telefon gut veranschaulichen: Stellen wir uns vor, es gibt mehrere Unternehmen, die das Telefon anbieten. Alle diese Anbieter müssen die Apparate, die sie bei den Kunden aufstellen, miteinander vernetzen. Gibt es kein öffentliches Netz, muss daher jedes Unternehmen ein eigenes Netz aufbauen.

Das führt zur Konkurrenz unter den Netzwerken, und wegen der Netzwerkeffekte gewinnt in diesem Wettbewerb das Netzwerk, das am schnellsten wächst. Die Kunden aber werden beobachten, welches Netzwerk wie groß ist, und neue Kunden werden sich - wiederum wegen der Netzwerkeffekte - dem größten Netzwerk anschließen. So kommt es immer mehr zur Konzentration der Nachfrager auf nur einen oder sehr wenige Anbieter: The winner(s) take(s) them all.

Das Phänomen „the winner takes it all“ tritt auch im Experiment auf. Denn das Spiel läuft über mehrere Runden, und die Teilnehmer*innen haben nach jeder Runde die Möglichkeit, in eine andere Gruppe zu wechseln. Wer viele Punkte erreichen will, schließt sich deshalb der Gruppe an, in der bereits gute Kopfrechner*innen und möglichst viele davon sind. So kommt es zu einer Konzentration der Teilnehmer*innen auf nur eine oder zwei Gruppen. Übrigens: Gute Kopfrechner*innen könnte man im Spiel als „Influencer“ bezeichnen, denn maßgeblich sie sind es, die andere Teilnehmer*innen anlocken.

Beispiele für die Gewinner des dynamischen Wettbewerbs auf digitalen Märkten sind Google bei den Internet-Suchmaschinen und den Smartphone-Betriebssystemen (Android) oder Microsoft bei den Betriebssystemen für PCs. Ein Beispiel für mehrere, ähnlich große Gewinner findet man auf dem Markt für Spielekonsolen (Sony mit der PlayStation, Microsoft mit der XBox, Nintendo mit Switch/Wii). Gibt es nur einen Gewinner des Wettbewerbs, muss dieser übrigens keinesfalls der Anbieter mit dem besten Produkt sein, denn das Wachstum des Netzwerkes wird nicht allein durch die Qualität des Gutes sondern auch durch andere, zum Teil zufällige Faktoren bestimmt.

Die beschriebene Dynamik des Marktes gilt auch für Güter mit indirekten Netzwerkeffekten. Der Unterschied zum Telefonbeispiel besteht nur darin, dass sich in der Anfangsphase zusätzlich entscheidet, welche Komplementärgüter sich durchsetzen. In den meisten Fällen existiert auch schon eines der nötigen Komplementärgüter. Gute Beispiele hierfür liefert die Computerspielbranche: Welche Spielekonsolen sich am Markt durchsetzen, hängt sehr stark davon ab, welche Spiele für die jeweiligen Konsolen verfügbar sind.

Preisstrategien zur Kundenbindung

Wenn es den beschriebenen dynamischen Wettbewerb unter Anbietern gibt, ist offensichtlich, dass es für die Anbieter darum geht, in der Anfangsphase möglichst viele Kunden an sich zu binden. Das kann über das Produkt selbst gelingen, wenn das Unternehmen der Konkurrenz technologisch oder im Design klar überlegen ist. Aber die Unternehmen werden insbesondere ihre Preisstrategie an die Dynamik des Wettbewerbs: Um möglichst viele Kunden zu gewinnen, werden die Unternehmen zunächst nur sehr geringe Preise verlangen. Im Extremfall verschenken sie anfangs das Produkt. Bei indirekten Netzwerkeffekten kann das sogar eine dauerhafte Strategie sein: Der Hersteller „verschenkt“ dann das Hauptprodukte (den Drucker, die Kaffee-Kapselmaschine), d.h. bietet es zu einem sehr geringen Preis an, und macht seine Gewinne anschließend mit dem komplementären Produkt (Toner, Kapseln).

(Abbildung fehlt noch)

Gerade rein digitale Produkte, bei denen die Netzwerkeffekt direkt sind, werden aber häufig verschenkt, und die Nutzer „zahlen“ dafür nur über das Erdulden von Werbung bzw. mit ihren persönlichen Daten. So hat zum Beispiel Youtube erst seit 2018 die Premium-Funktion in Deutschland, bei der Nutzer Geld zahlen können, um Videos werbefrei zu schauen.

Die Strategie, das Produkt in der Anfangsphase sehr billig anzubieten oder sogar zu verschenken, ist erfolgreich, wenn dadurch das eigene Netzwerk schnell wächst. Dieselben Netzwerkeffekte, die die Kunden dazu bringen, sich dem Netzwerk anzuschließen, sind es aber auch, die es denselben Kunden schwer machen, das Netzwerk wieder zu verlassen, denn wenn Sie das Netzwerk verlassen, verlieren sie ihre Kontakte und müssen diese neu im anderen Netzwerk aufbauen. Die Kunden sind „locked in.

(Abbildung fehlt noch)

Diesen locked-in Effekt können sich die Anbieter zunutze machen, indem sie später die Preise erhöhen. Der locked in Effekt ist auch bei indirekten Netzwerkeffekten vorhanden und dort sogar besonders anschaulich: Wer sich z.B. für ein bestimmtes Modell einer Spielekonsole entscheiden hat, kann nur aus dem Spieleangebot für diese Konsole wählen, und dies eröffnet den Anbietern einen größeren Spielraum dafür, höhere Preise für die Spiele zu verlangen.

Um die Preisstrategien auf Märkten mit Netzwerkeffekten nachvollziehen zu können, gibt es das Netzwerkspiel in einer Variante mit „Gruppeneigentümern“. In dieser Variante gibt es ebenfalls mehrere Gruppen, die Teilnehmer*innen sammeln weiterhin Punkte für ihre Gruppe durch das Lösen Kopfrechenaufgaben, und sie können weiterhin nach jeder Runde die Gruppe wechseln. Nun aber gibt es zusätzlich Eigentümer der Gruppen, die die Rolle der Unternehmer übernehmen. Die Gruppeneigentümer setzen vor jeder Runde einen Preis, der im Spiel einem Mitgliedbeitrag für die kommende Runde entspricht. Eigentümer können diesen Preis auf null setzen, dann ist die Mitgliedschaft in der Gruppe kostenlos. Aber die Eigentümer können den Preis über die Runden verändern.

Links und Downloads

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